Im "Reallabor Emsland" entsteht ein neuer Energiestandort Lingen
Das Stichwort heißt Wasserstoff, ein Energieträger, mit dessen Hilfe man Energie speichern und transportieren kann. Gewonnen wird Wasserstoff als wichtiges Industrieprodukt bei der Elektrolyse durch den Einsatz von Strom bei der Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff.
Wie dieser Energieträger zu einem zentralen Baustein im "Reallabor Emsland" werden kann, erläuterte Sebastian Thedering, Netzwerkmanager für den Bereich Energie im IT-Zentrum in Lingen. Der 32-jährige Lingener hat in Geislingen und Erfurt Energiemanagement bis zum Master studiert und war zuletzt unter anderem bei der Umweltbank in Nürnberg und im Projektmanagement der Klasmann-Deilmann GmbH beschäftigt.
Thedering verwies darauf, dass die Energieinfrastruktur am Standort Lingen hervorragend und in dieser Ausprägung landesweit ohne Beispiel sei: Strom- und Gasnetze sowie Gaspeicher sind an einem Ort konzentriert. Diese hervorragenden Rahmenbedingungen gelte es, so der Netzwerkmanager, zu nutzen, wenn der auf der Nordsee produzierte Windstrom über Stromleitungen durch das Emsland in die Industriezentren weitergeleitet werde. Aber eben nicht an Lingen vorbei, sondern mit einem angedockten "Reallabor Emsland" als Abnehmer des Stroms. "Wir wollen von dem Strom profitieren, ihn nicht nur weiterleiten", unterstrich Thedering.
Der Netzwerkmanager skizzierte das "Reallabor Emsland" als regeneratives Speicherkraftwerk, in dem der gewonnene Wasserstoff an seine Abnehmer weitergeleitet werde: Für industrielle Anwendungen, zum Beispiel, was die Möglichkeiten der synthetischen Herstellung von Kraftstoffen anbelangt, für die Raffinerie von BP in Lingen.
Dort haben Ingenieure im Rahmen eines Demonstrationsprojektes bereits den Nachweis erbracht, dass der Einsatz erneuerbarer Komponenten zur Produktion von Kraftstoff in einer Erdölraffinerie möglich ist. Der „grüne Wasserstoff“ wurde von der Audi Industriegas GmbH in Werlte unter ausschließlicher Nutzung von erneuerbaren Energien hergestellt.
Raffinerien gehören zu den größten industriellen Wasserstoff-Nutzern Deutschlands. Üblicherweise werden die benötigten Mengen aus fossilen Quellen wie Erdgas oder LPG selbst erzeugt und in den Raffinerieprozess integriert. Der Testlauf zeige, dass Raffinerien grundsätzlich in der Lage seien, die Energiewende im Verkehrssektor aktiv mitzugestalten, so die BP.
In der anschließenden Gesprächsrunde wiesen Erster Kreisrat Martin Gerenkamp und der Salzbergener Abgeordnete Franz-Josef Evers auf die hohe Bedeutung des Energiestandortes Lingen für den Beschäftigungssektor in der Region hin. Rund 20.000 Arbeitsplätze hingen direkt oder indirekt an der Energiewirtschaft im südlichen Emsland. Die Beschäftigungseffekte seien vergleichbar mit denen der Meyer-Werft in Papenburg. "Der starke Energiestandort Lingen soll auch in Zukunft stark bleiben", unterstrich CDU-Fraktionsvorsitzender Bernd-Carsten Hiebing. Landrat Reinhard Winter sprach vor dem Hintergrund der Ausführungen Thederings von einer "zentralen Zukunftschance" für die Region.